Wer neue
Medikamente entwickeln will, muss möglichst genau wissen, wie die
verschiedenen Substanzen abgebaut werden und wie der Körper sich selbst
entgiftet. Die Cytochrom P450-Enzyme sind molekulare Maschinen, die bei
Bakterien, Pflanzen und Tieren Reaktionen von vielen verschiedenen
chemischen Substanzen katalysieren. Im menschlichen Körper bauen sie
bis zu 80 Prozent aller eingenommenen Medikamente ab. Diese Enzyme
spielen eine Schlüsselrolle beim Abbau von Giftstoffen oder bei der
Produktion wichtiger Moleküle, wie zum Beispiel der Sexualhormone
Progesteron und Testosteron. Daher ist es wichtig zu verstehen, wie die
Cytochrom P450-Enzyme funktionieren.
Neue
Erkenntnisse über die Funktionsweise dieser Proteinfamilie gewannen
jetzt Forscher am Heidelberger Forschungsinstitut EML Research. Sie
simulierten im Computer die Wechselwirkungen eines Cytochroms P450, wie
es bei Säugetieren vorkommt, mit chemischen Substanzen wie Progesteron.
Dabei interessierten sich die Wissenschaftler vor allem dafür, wie
diese Substanzen ihren Weg in das Zentrum des Enzyms und wieder
hinausfinden. Denn der aktive Teil der Cytochrom P450-Enzyme liegt in
deren Zentrum verborgen. Für das Verständnis der Funktion ist es
deshalb von entscheidender Bedeutung zu verstehen, wie der chemische
Zugang in das Zentrum vor sich geht.
Durch die neuen Simulationen
wurde ein neuer Kanal entdeckt, der Unterschiede zu den bisher
bekannten Zugangswegen bei bakteriellen Cytochrom P450-Enzymen
aufweist. Dennoch vermuten die Wissenschaftler, dass das
Säugetier-Enzym den neu gefundenen Kanal ebenso nutzt wie den Kanal,
den man bei Bakterien kennt – abhängig von seiner Zellumgebung und von
der chemischen Verbindung, die in das Enzym eintritt.
Die Forscher der EML Research stellen die These von zwei Mechanismen in dem untersuchten Cytochrom P450-Enzym auf:
Erstens
ist eine Art „Einbahnstraße“ denkbar, durch die fettlösliche
(lipophile) Substrate von der Membran aus über den von Bakterien
bekannten Kanal das Enzym ansteuern. Produkte verlassen das aktive
Zentrum demzufolge über den neu entdeckten Kanal direkt in die
Zelllösung.
Zweitens kommt nach Ansicht der Forscher eine
„zweispurige Strecke mit Gegenverkehr“ für lösliche Verbindungen
auschließlich über den neuen Kanal in Frage.
Die vermuteten
Unterschiede in der Wegstrecke bei Substrat-Eingang und Produkt-Ausgang
zwischen membrangebundenen P450s und löslichen, nicht-membrangebundenen
P450s von Säugetieren und Bakterien kennzeichnen die
Anpassungsfähigkeit der P450-Familie an die Anforderungen
unterschiedlicher zellulärer Bereiche und unterschiedlicher chemischen
Eigenschaften des Substrats.
Der
Artikel (mit Videoclips aus den simulierten Sequenzen in der
online-Version) ist erschienen in: EMBO Reports, Juni (2005) 6,
6, 584–589. doi:10.1038/sj.embor.7400420. Karin Schleinkofer,
Sudarko, Peter J. Winn, Susanne K. Lüdemann, Rebecca C. Wade: Do
mammalian cytochrome P450 show multiple ligand access pathways and
ligand channeling?
Wissenschaftliche Ansprechpartnerin:
Dr. Rebecca Wade
Group Leader Molecular and Cellular Modeling
EML Research gGmbH
Tel: +49-6221-533-247
Fax: +49-6221-533-298
[email protected]